Andrea Bodner - Sieben Quellen der Kraft

Andrea Bodner

Schritt für Schritt

bz63096 bearbeitet

Jahrgang 1968.
Lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in St. Andrä.

„Ich habe es als ziemliche Herausforderung empfunden, mich mit dem Thema „Kraftquellen in Krisenzeiten“ auseinanderzusetzen. Schließlich hatte ich mir die Frage nach meinen Kraftquellen noch nie mit dieser Konsequenz gestellt. Am Ende fand ich es enorm spannend und wertvoll, mich zu erinnern, zu beobachten und analysieren und schließlich eine Form für meine Überlegungen zu finden.”

Schritt für Schritt

von Andrea Bodner

Krisen können ganz unterschiedlich daherkommen. Wenn sie sich langsam aufbauen, Schritt für Schritt sozusagen, dauert es eine Weile, bis ich mir darüber klar werde, dass etwas nicht stimmt, und es dauert noch länger, bis ich verstehe, wo der Hund begraben liegt. Manchmal ist es für mich ein langer und kein einfacher Weg, eine Krise zu benennen. Es ist aber der erste Schritt.

Gerade weil ich mir diesen Erkenntnisprozess als Weg vorstelle, ja eigentlich als erste Etappe auf der Reise zur Lösung, hilft es mir, wandern zu gehen. Vor allem wandern im Wald.

Der Wald schenkt mir ein Gefühl der Sicherheit. Die Luft duftet nach Moos oder Harz oder Regen, die Ruhe und das Rauschen des Windes in den Ästen der Bäume entspannen mich. Wenn ich jetzt einen Schritt vor den nächsten setze, dann muss ich schauen, wo ich hintrete, ich spüre die Steine, die Wurzeln und den weichen Waldboden.

Beim Wald-Wandern queren unzählige Bilder und Gedanken meinen Kopf. Sie kommen und gehen, und ich lass ihnen freien Lauf. Manche davon mögen absurd erscheinen, manche brutal, andere irreal, darunter sind auch dunkle Gedanken, die ich gar nicht aussprechen mag. Es kommt vor, dass gerade ein schweißtreibender Aufstieg die absurdesten Vorstellungen durch meinen Kopf jagt. Schritt für Schritt ziehen Bilder vor meinem inneren Auge vorbei und weiter. Ich klammere mich an keinem fest. Sie kommen und gehen. Nach einer Weile, Schritt für Schritt eben, entsteht ein Gefühl der Befreiung und der Leichtigkeit.

Irgendwann bin ich auf einer Lichtung, einem Aussichtspunkt, einer Wegkreuzung. Dann weiß ich, dass ich am Ziel bin. Ich setze mich auf einen Stein oder eine Bank und schaue mich um, nehme meine Umgebung intensiv wahr. Mein Blick richtet sich nun von innen nach außen in die Landschaft, und es überkommt mich ein beruhigendes Gefühl.

Ich spüre, wie ich meine Sorgen ausblende und mich ganz der Schönheit des Augenblicks widme. Dann bin ich weit weg vom Alltag und ganz im Hier und Jetzt, bin für den Moment frei von jeglicher Last und einfach nur überwältigt von der Stimmung, die mich umgibt.

Dieses intensive Erleben des gegenwärtigen Augenblicks verdrängt alles: Sorgen, Probleme, Erwartungen und Wünsche, verdrängt die Vergangenheit und die Zukunft. Nur der unendliche Moment zählt. Die Sorgen umklammern mich nicht mehr, und Entspannung macht sich breit. Alles fließt. Darüber ein Gefühl von Freiheit und – Dankbarkeit, diesen Augenblick erleben zu dürfen. In diesem Moment spüre ich Kraft und Leichtigkeit.

Und dann durchfährt mich plötzlich der Wunsch, wieder nach Hause zu gehen. Ich setze mich wieder in Bewegung, und nachdem ich den Schritt weg von meinen Sorgen gemacht habe, sehe ich die Welt anders, denke über Lösungen nach, nicht mehr über Probleme. Ideen entstehen und werden verworfen. Mindestens ein Vorhaben versuche ich immer noch am selben Tag umzusetzen, und sei es noch so klein. Ich besorg mir dann beispielsweise die Telefonnummer von der Person, mit der ich sprechen möchte. Diese kleine Handlung ist enorm wichtig. Indem ich etwas von dem tue, was ich mir vorgenommen habe, werde ich aktiv, bringe mich ein. Wer weiß schon, was sich daraus ergibt, welche Tür sich öffnet?

Manchmal zeigen sich in den Tagen darauf tatsächlich neue Möglichkeiten oder andere Sichtweisen. Das gibt mir Hoffnung und Zuversicht, das zeigt mir, wie dynamisch das Leben ist und schenkt mir Kraft und Motivation. Und es bestätigt mich im Glauben, dass sich auch die allerschwierigste Situation Schritt für Schritt etwas leichter handhaben lässt.

Das Leben besteht in der Bewegung.

– Aristoteles –